Belcanto & die italienische Schule

http://www.belcanto-ensemble-forum.de/20934508nx591/allgemeine-gesangstechnik-f127/belcanto-technik-und-mehr-t2711.html
Dr. Karin Wettig - Belcanto - Gesangstechnik italienische Schule
Belcanto - Gesangsunterricht

Hier ist ein schöner Artikel über Belcanto und die italienische Gesangstechnik, den ich im Belcanto- Forum gefunden habe. Auch die Vorurteile und Fehleinschätzung sind hier einmal konkret angesprochen. Belcanto ist durchaus nicht veraltet, auch wenn es heute keine Kastraten mehr gibt, weil Männer auch so die hohe Sopranlage entwickeln können. So ist dies doch umso mehr ein Beweis, dass die traditionelle italienische Technik sehr gut funktioniert, wenn man sie richtig anwendet. Den Link zum Original füge ich auch noch bei... 

 

Dieser Artikel ist von Andreas Talarowski, er unterrichtet an einem Berliner Gesangsstudio und ist Mitglied im Bundesverband Deutscher Gesangspädagogen:

Ich unterrichte seit 1989 Gesang und habe mich seitdem ausführlich mit der Tradition des belcanto beschäftigt. Dabei waren meine Erfahrungen und Annäherungen gerade im Studium eher zwiespältig. Belcanto war etwas, was in alte Zeiten gehörte, man bei uns im Allgemeinen “nicht macht” und überhaupt hatte es oft einen zweifelhaften stimmschädigenden Ruf. Dabei konnte niemand eigentlich genau erklären, was genau die Merkmale der belcanto-Technik sind, es kursierten höchstens fragmentarische Geschichten von sehr einseitigen Übungen, die aber als überholt galten. Der Begriff wurde immer mit einer bestimmten Sängertradition und musikalischen Epoche verbunden, nie aber mit technischen Merkmalen. Es wurden immer bestimmte Ergebnisse als ‚belcanto‘ bezeichnet, nie aber der Weg dorthin beschrieben. Ich erinnere mich an eine Situation zu Beginn unseres Studiums, als wir uns im Jahrgang im Theorieunterricht einmal gegenseitig vorsangen, und ein asiatischer Kollege, der einige Jahre in Italien ausgebildet worden war, stimmgewaltig ein Arie sang, unser Dozent wissend nickte und meinte, dies nun sei die alte italienische belcanto-Technik. Wir anderen Studenten waren beeindruckt von der Stimmkraft und hatten das Gefühl, das uns diese Kraft nicht zur Verfügung steht, aber was der Kollege jetzt andersmachte, blieb unbeantwortet. Daher will ich an dieser Stelle versuchen, die Kriterien der Technik des belcanto zu beschreiben.

Eine Tradition der generationenlangen Beobachtung
Die Merkmale des belcanto, wie ich sie verstehe, wurden nicht irgendwann erfunden, sondern entwickelten sich aus einer über Generationen währenden minutiösen Beobachtung der körperlichen Vorgänge, die am Singen beteiligt sind. Diese Beobachtungen waren erst mal an die italienische Sprache, südlichen Geist und Kultur gebunden. Diese Grundvoraussetzungen muss man berücksichtigen: die italienischen Vokale zum Beispiel sind viel geschlossener als die deutschen, die in ihrer Vokalgebung immer zur Breitspannung neigen, was zur Folge hat, das die Stimmbänder auseinandergezogen werden. Auch ist es eine Tatsache, dass der Südländer generell einen besseren Umgang mit seinen abdominales und seiner Beckenbodenmuskulatur hat. Die Behandlung der Vokale wird im passaggio und im cuperto eine Bedeutung bekommen, der Umgang mit der höchst privaten Muskulatur der unteren Körpermitte ist entscheidend für die Atemführung und somit die Phrasierung.

Merkmale der Stimmbildung
In meiner Arbeit mit Vertretern der alten italienischen Technik konnte ich immer feststellen, das sich der Stimmklang von einer deutschen Stimme weg zu etwas anderem entwickelte – oder besser, ich konnte zum ersten Mal unterscheiden, das es tatsächlich einen typischen deutschen Klang gibt und einen italienischen, der mit Technik zusammenhing, und nicht nur mit nationaler Eigenart.

Die “ng”-Zungenposition

 

Erstes technisches Merkmal ist die Position der Zunge: die alte italienische Schule lehrte schon immer die ‚ng‘-Position der Zunge (wie beim italienischen “Chef” oder bei“singen”), d.h., die mittleren Zungenränder berühren die oberen Backenzähne, die Zunge beschreibt also einen leichten Bogen, wobei die Zungenspitze an den unteren Schneidezähnen ruht. Durch moderne wissenschaftliche Untersuchungen Weiß man heute, warum das schon immer gelehrt wurde: mit der Kamera kann man heute filmen, das sich bei einer flachgehaltenen Zunge der hintere Zungenmuskel in den Kehlraum drückt und diesen nahezu verschließt. Das Ansatzrohr wird also verengt. Diese Zungenposition ist gerade für deutsche Sänger gewöhnungsbedürftig, weil sieden Vokalen eine viel geschlossenere,dunklere Farbe gibt. Leider wird bei uns immer noch die flache Zungenposition gelehrt, wohl aus der Überlegung heraus, dass in einem großen Mundraum auch ein großer Klang entsteht. Wir wissen aber, dass der große Klang hinter der Zunge in der geöffneten Kehle entsteht, und die Kamerauntersuchungen haben das bewiesen.

Das “u” als Grundvokal

 

Das “u” ist der Grundvokal der Stimmbildung, weil er ein Kehlöffner per se ist, wenn er richtig in der “ng”-Position gebildet wird. Auch kann ich hinter allen anderen Vokalen das ‚u‘ immer ahnen, sowohl als Klang, wie auch in der generellen Mundstellung, die daher stets eine ovale sein muss. Wieder ist für deutsche Stimmen mit ihrem Hang zur Breitspannung hier grosse Aufmerksamkeit vonnöten, weil die Gewohnheit der Vokalbildung der Muttersprache so mächtig ist.

Das cuperto

 

Die italienische Schule kennt den bei uns übliche Begriff des “decken” nicht, der aber aus dem Begriff “cuperto” abgeleitet ist: dieses Wort ist im italienischen veraltet, und kann mit ‚bedeckt‘ übersetzt werden. Die deutsche Technik hat daraus eine muskuläre Beeinflussung in der Höhe gemacht, es ist aber immer nur eine akustische Alteration gemeint gewesen. Eine cuperto -Übung dient dazu, in der Höhe die Stimmbänder zusammenzuhalten die in Gefahr kommen undicht zu werden durch den immer grösser werdenden Atemdruck. Sie sollen nicht  auseinander gesprengt werden, indem man in der Lage ist, dort eine Randkantenfunktion zu etablieren, die aber immer noch eine Verbindung zur Vollstimme hat, d.h., besonders bei Männerstimmen, nicht ins Falsett zu gehen, aber einen äußert geschlossenen Ton auf “u” anzusetzen, den ich in einer Tonleiter bis in die tiefste Brustfunktion führen kann. Diese Art von Übungen sichern die absolute Höhe, weil die Stimmbänder so in die Luft gebettet und nicht von ihr bedrängt sind.

Das passaggio


Ein Begriff, den ich selbst in meiner Ausbildung nie vermittelt bekommen habe, und den ich heute für die wichtigste Funktion – besonders der Männerstimme – halte, deren Beherrschung über die Gestaltung der echten Höhe entscheidet. In der deutschen Technik wir immer vom “Bruch” gesprochen, ungefähr auf e‘/f‘(Männer, Frauen eine Oktave höher). Wenn ich diesen Bruch in einer Stimme höre, habe ich lediglich die Gesetzte des passaggios nicht beachtet, die schon vorher(b,h,c) beginnen. Im Bereich des passaggio(b-e‘ ungefähr) findet die größte Veränderung in der Art der Schwingung der Stimmbänder statt. In diesem Bereich schaltet die innere Kehlkopfmuskulatur von einer schweren Vollschwingung auf eine leichtereTeilschwingung – für höhere Töne werden schnellere Schwingungen benötigt, daher wir die Masse reduziert. Da Männer einen größeren Kehlkopf als Frauen haben, müssen sie fünf Mal so viel Muskelmasse bewegen, daher ist das Umschalten der Schwingungsarten bei ihnen auch viel schwerwiegender. Ein gut trainiertes Ohr kann diese Veränderung, eine Verschlankung des Kerns, genau heraushören.

Inhalare la voce

 

Bedeutet wörtlich, “die Stimme einatmen”, wir kennen auch den Begriff “die Stimmetrinken”. Beides beschreibt ein Konzept, mit dem ich in der Lage bin, die Luft von den Stimmbändern wegzuhalten, indem ich in die Ausatmungsfunktion eine Einatmungstendenz schalte. Das Bild, dabei die Stimme zu “trinken”, und sie nichthinauszutreiben, ist sehr hilfreich und ergibt wiederum einen spezifischen Klang. Neben anderen sind diese Aspekte wichtige Angelpunkte meiner Studioarbeit geworden, weil die Erfahrung zeigt, das mit ihrer Hilfe die Stimme auf eine absolut sichere technische Basis gestellt wird, die auch in allen Stresssituationen(Vorsingen, Aufnahmeprüfung,etc..) verlässlich und abrufbar bleibt. Jeder Kandidat, der auf der Suche nach einem guten Gesangslehrer ist, und sich von der Werbung “Unterrichte belcato-Technik” angesprochen fühlt, sollte nachfragenkönnen, inwieweit der betreffende Lehrer diese Merkmale umsetzt:

 

Das “u” als Grundvokal zum Öffnen der Kehle
Die “ng-Position” der Zunge, die dieses “u” perfekt bilden lässt, weil der hintere Kehlraum offen bleibt
Das cuperto – Sicherung der echten Höhe
Das passaggio als wichtigster Umschaltplatz auf dem Weg in die Höhe
Inalare la voce – Grundlage einer ausgeglichenen Registerbalance.

 

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Sorry, für diverse sprachliche Fehler kann ich nichts, ich gebe den Artikel so wie er ist weiter....Dr. Karin Wettig   "Singen wie Callas und Caruso"

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